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Weihnachtsgeschichte


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Eine Weihnachtsgeschichte – von Franziska Hagenbuch Den Kopf im dick aufgeplusterten Federkleid vergraben, saß die kleine Eule hoch oben auf einem zugeschneiten Ast. Es war eisig kalt an diesem Abend, wie lange nicht. Die kleine Eule bereute es, sich für diese Nacht keinen warmen Schlafplatz gesucht zu haben. Nicht nur die Kälte war an diesem Tag ungewöhnlich. Nein, auch das Dorf, in dem es sonst immer sehr still zuging, war an diesem Abend belebter. Als sogar auf einmal lautes Gelächter ausbrach, schaute die kleine Eule neugierig nach unten. Überall brannten warme Lichter, fröhliche Stimmen drangen aus den Häusern. Mit leisem Flattern flog sie neugierig ins Dorf, denn sie wollte herausfinden, was an diesem Abend so Besonderes vorging. Sie flog durch die engsten Gassen und Spalten, bis sie es sich schließlich auf einem Hausdach gemütlich machte, um das muntere Treiben unter ihr zu beobachten. Sie sah ein Ehepaar fröhlich die schneebedeckte Straße entlang schlendern, ein paar Meter weiter bauten zwei kleine Jungen einen Schneemann, die Eltern der Kinder beobachteten dies lächelnd. Die kleine Eule freute sich, dass heute alle so glücklich waren, bis ihr Blick auf ein Auto fiel, aus welchem gerade etwas ausgeladen wurde. Mit ihren guten Eulenohren hörte sie ein leises Wimmern, welches geradewegs aus dem Auto zu kommen schien. Von Neugier gepackt, flog die kleine Eule ein Stück näher heran, bis sie einen noch besseren Blick auf das Auto hatte. Ein groß gewachsener, schlanker Mann hievte einen großen Karton aus dem Kofferraum, eine Frau huschte um ihn herum, wie eine Motte um das Licht: „Aber Schatz, pass auf! Halte den Karton gerade! Wir wollen doch nicht, dass dem Geschenk unserer Tochter etwas zustößt!“ Der Mann schaute genervt und trug das Geschenk in das Haus hinein. Verwundert beobachtete die Eule den Vorgang, bis sie ein erneutes Wimmern vernahm. Es ließ sie nun nicht mehr los, sie musste wissen, was für ein Geschenk sich in diesem Karton befand! Zügig schwebte sie auf die Fensterbank des Hauses, und suchte mit ihren Augen den Raum ab. Der Mann stand mittendrin, den Karton noch immer in der Hand. Nach ca. 5 Minuten stellte er ihn ab und öffnete ihn. Gespannt beobachtete die Eule, was nun passieren würde. Sie reckte und streckte sich, um sehen zu können, was sich in dem Karton befand. Der Mann langte hinein und holte einen kleinen Hund heraus. Es war ein Bernhardiner Welpe mit sehr viel Fell. Nun wurde der Eule auch klar, woher das Wimmern kam. Zufrieden, das Rätsel gelöst zu haben, flog sie wieder zu ihrem Ast und schlief auch gleich ein. In der Nacht plagten sie anschließend viele Gedanken: Warum war an diesem Abend alles so erhellt gewesen? Warum waren alle so fröhlich? Und warum verschenkte man einen Welpen?

Die nächsten Monate verliefen normal. Die Kälte hatte sich wesentlich gebessert und es war wieder Ruhe in das Dorf eingekehrt. Die kleine Eule, die inzwischen auch etwas älter geworden war, suchte gerade den Rathausplatz nach etwas Fressbarem wie altem Brot ab, als sie auf etwas aufmerksam gemacht wurde. Ein Rascheln, das immer lauter wurde und scheinbar von der etwa 100 Meter entfernten Mülltonne kam. Neugierig flog die kleine Eule zu den Mülltonnen. Sie hatte keine Angst und war generell nicht so scheu wie ihre Artgenossen, denn sie fühlte sich zwischen den Tauben und den ganzen Menschen wohler als im stillen, einsamen Wald. Weiterhin dem Rascheln folgend, fiel ihr Blick auf etwas Großes, Plüschiges. Ihre Vorahnung bestätigte sich, als sie den inzwischen größer gewordenen Bernhardiner entdeckte. Er scharrte in einer alten Mülltüte, scheinbar auf der Suche nach etwas zu essen. „Was machst du denn hier?“ fragte die Eule. Mit müdem Blick sah der verschmutzte Hund sie an: „Was soll ich hier machen? Du kennst mich doch nicht.“ Die Eule kam näher auf ihn zu. „Ich habe dich nur einmal gesehen, an einem sehr speziellen Abend. Du wurdest aus einem Karton geholt, von einem Mann! Es ist sehr lange her.“ Der Hund begann leise vor sich hin zu Brummen: „ Ach, was soll ich dazu sagen… Ich galt als Geschenk. Da wo du mich gesehen hast, wurde ich nur begutachtet. Danach wurde ich sofort wieder in den Karton gesteckt. Ich wurde lange umher getragen, hatte kein Wasser, konnte mich nur an Luftlöchern im Karton orientieren. Ich habe viel geschlafen, denn das Wimmern machte mich müde. Dann, es kam mir wie eine Ewigkeit vor, wurde der Karton erneut geöffnet. Ein kleines Mädchen nahm mich in den Arm, ich empfand sehr viel Liebe und Geborgenheit bei ihr. Die Wochen vergingen und die Beziehung zu ihr wurde immer seltsamer. Sie interessierte sich zunehmend weniger für mich, hatte nur noch Zeit für ihre Freundinnen. Am Ende wurde ich sogar geschlagen, dann hat man mich schlussendlich einfach vor die Tür gesetzt – in die eisige Kälte.“ Die kleine Eule merkte, wie ihre Stimmung sich senkte. Sie war den Tränen sehr nahe. Für einen Moment fand sie keine Worte für den Hund, also hüpfte sie nur auf seine Pfote und legte einen Flügel darauf. „Ich wusste nicht das Menschen so grausam sein können. Sag mal wie heißt du eigentlich?“ Der Hund sah mit einem Funkeln in den Augen zu der Eule. „Ich heiße Bruno. Und wie heißt du?“ die kleine Eule antwortete: „Ich heiße Lilly, schön dich kennen zu lernen, Bruno! Wir müssen doch ein Zuhause für dich finden, du kannst doch nicht von Abfällen leben!“ Nachdenklich sah Lilly dem Hund in die Augen, bis ihr etwas einfiel: „Ich habe eine Idee! Nicht weit von hier – am Waldrand – lebt eine alte Frau. Ich sehe sie nicht jeden Tag, da sie sehr selten vor die Tür geht. Aber wenn sie nach draußen geht, wirkt sie immer sehr traurig. Ich habe sie noch nie lachen sehen und sie wirkt sehr einsam. Sollen wir dort mal hingehen? Vielleicht kannst du ja bei ihr wohnen!“ Brunos Augen strahlten und er sprang auf, als er antwortete: „Das wäre so toll, nichts würde ich mir sehnlicher wünschen! Lasse uns doch bitte gleich dort hingehen!“. Zwei Stunden dauerte ihr Marsch, wobei Lily auf dem Rücken von Bruno saß, als sie am Haus der alten Dame ankamen. Lilly und Bruno sahen sich gegenseitig an, als Bruno aufgeregt fragte: „Wie machen wir das jetzt?“ Lilly überlegte nicht lange: „Setz dich vor ihre Tür und jaule richtig laut! Sie wird dich bestimmt hören, denn taub ist sie nicht!“ Lächelnd tapste Bruno zum Haus und setzte sich vor die Haustür. Lilly flog auf einen Ast und beobachtete gespannt, wie Bruno sich die Seele aus dem Leib jaulte. Es dauerte nicht lange, da öffnete sich die Tür. Die leise Stimme der alten Frau erklang: „Oh, was bist du denn für ein Süßer! Hast du keinen Besitzer, weil Du hier alleine sitzt?“ Bruno wedelte mit dem Schwanz, als ob er verneinen würde. Suchend schaute sich die Frau um, dann wandte sie den Blick wieder auf Bruno. „Und du bist ja so schmutzig! Hunger hast du bestimmt auch!“ Sie öffnete die Tür, „Nun komm rein, du bekommst ein Bad und etwas Leckeres zu essen!“ Schnell rannte Bruno in die warme Stube und freute sich seines Lebens. Lilly freute sich ebenfalls sehr, in ihrem Falle für Bruno. Er hatte nun ein warmes Zuhause und immer etwas zu essen. Sie freute sich aber auch für die alte Dame, da diese nun nicht mehr alleine und traurig war. Die Eule blieb bei den Beiden, da sie einen Zugang zum Dachboden in dem kleinen Haus gefunden hatte. So hatte sie es auch immer schön warm und trocken, außerdem konnte sie regelmäßig Bruno treffen. Seit diesem Tag waren die beiden immer zusammen und erfuhren, was wahre Freundschaft bedeutet.

Die Moral der Geschicht‘: Man verschenkt Tiere zur Weihnacht nicht!


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